Blutegeltherapie

Blutegel werden nachweislich seit etwa 3000 Jahren medizinisch eingesetzt. Schon in der indischen und chinesischen Medizin (600-100 v.Ch.) wurden erfolgreiche Blutegeltherapien dokumentiert. Auch die Griechen und Römer setzten sie therapeutisch ein.
Bis ins vorletzte Jahrhundert waren Blutegel ein vielgepriesenes Heilmittel.  Doch nachdem der Blutegel über die vielen Jahrhunderte sinnvoll eingesetzt worden war, führte diese Lehre im 18. Und 19. Jahrhundert zu einem exzessiven Einsatz, so dass bis zu 100 Egel an einen Patienten gleichzeitig angesetzt wurden – mit nicht selten tödlichem Resultat. Durch die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzende Entwicklung der Medizin in Richtung Schulmedizin geriet die Blutegeltherapie immer mehr in Vergessenheit. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde die Wirkung des Blutegelbisses nun wissenschaftlich erforscht.
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In Freiheit lebende Blutegel hängen sich an Wildtiere, die zum Trinken an ihr Gewässer kommen. Durch die Bewegung der Tiere im Wasser wir der Egel angelockt. Hat er angedockt, sucht er sich die bequemste Bissstelle. Der Volksmund sagt, dass an der Bissstelle ein Krankheitsherd ist. Es wird immer wieder berichtet, dass kranke und verletzte Tiere der Wildnis bewusst blutegelbesiedeltes Gewässer aufsuchen, wohl in der Hoffnung auf eine heilsame Behandlung.

Für die Therapie werden aber nur speziell gezüchtete, medizinische Tiere verwendet. Blutegel sind sehr sensibel und können die Beschaffenheit der Haut genau feststellen. Sie nehmen wahr, ob die Region stark durchblutet ist, ob die Hautspannung erhöht ist, ob es unangenehm riecht, ob toxische Stoffe über die Haut ausgeschieden werden etc.

Hat er die passende Stelle gefunden, saugt er sich zunächst fest, dann sägen seine drei Kiefer, die jeweils mit etwa 80 kleinen Zähnchen besetzt sind, eine kleine Wunde in der Form eines „Y“ in die Haut. Sofort beginnt er mit dem Saugvorgang. Ein erwachsener Blutegel wiegt 4-10 g und kann ungefähr die sechs- bis zehnfache Menge seines Körpergewichts an Nahrung aufnehmen.

Die Nutzen für den Wirt sind vielfältig. Ist die zu behandelnde Stelle z.B. stark geschwollen, tritt durch den „Aderlass“ sehr schnell eine wohltuende Wirkung ein. Doch interessant wird es jetzt:  heute wissen wir, dass der Speichel des Egels, die „Saliva“, einzigartige biologische aktive Stoffe enthält. Diese rufen vielfältige Heilungseffekte im Organismus des „Opfers“ hervor.

Das Speicheldrüsensekret des medizinischen Blutegels besteht zu ca. 90% aus Wasser. In diesem sind biologisch aktive Eiweisse und Peptide, Lipide sowie Polysaccharide enthalten. Bisher konnte nur ein Teil der wahrscheinlich mehr als 100 biologisch aktiven Stoffe identifiziert werden. Bekannt sind:
Vasoaktive Neurotransmitter
Histamin und Serotonin   

Lysierende Substanzen
Sie erhöhen die Durchlässigkeit der Interzellularmatrix der Haut und gewährleisten das Eindringen des Speichels in die Gewebe der Opfer.
Destabilase-M (Monomerase),  Hyaluronidase, Kollagenase, 
Lipase/Cholesterinesterase, ϒ-Glutamyl -Transpeptidase ,        

Die Blutgerinnung beeinflussende Substanzen
Ein Stoffcocktail im Speichel sichert den freien Blutfluss aus der Wunde während des Saugens. Im Darm des Egels unterstützen spezifische Enzyme die Gerinnungshemmung, damit das aufgenommene Blut flüssig bleibt. Die gerinnungshemmenden Stoffe im Speichel blockieren auf synergetische Weise alle Mechanismen der Blutgerinnung.
Hirudin, Calin, Saratin, Apyrase, Antagonist des Thrombozyten-aktivierungsfaktors (TAF), Inhibitor des Faktors Xa, Inhibitoren des Plasmakallikreins 
                                                  
Alle diese Substanzen entfalten ihre heilende Wirkung bei einer Blutegelbehandlung. Die Heilwirkung entsteht durch Reaktionen der Patienten auf den Biss, das Saugen und das Nachbluten sowie die oben aufgeführten biologisch aktiven Stoffe des Egelsekrets.
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Tier akzeptieren eine Blutegeltherapie meist erstaunlich gelassen. Wahrscheinlich spüren sie instinktiv, dass es ihnen gut tun wird.
Je nach Indikation reicht eine Behandlung, bei chronischen Erkrankungen sind Wiederholungen der Behandlugen aber unbedingt zu empfehlen.
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